Orthographie bei den MINT-Fächern
„Also, das ist frech!“, hörte ich einen Schüler zu einer Mitschülerin sagen, nachdem dieser jenen Punktabzug entdeckt hatte, welcher aus seiner 3 eine 3- machte. Dieser Punktabzug war nicht die Folge inhaltlicher Fehler. Er hatte ihn sich wegen seiner mangelhafter Rechtschreibung redlich verdient – und das in einer Mathematik-Klausur!
Diese Maßnahme war für mich tatsächlich ein Novum, schließlich wird in Mathematik bekanntermaßen eher gerechnet als geschrieben. Aber wenn Begründungen und Interpretationen mathematischer Sachverhalte verschriftlicht werden müssen, kommt auch dies natürlich vor. Und hier patzte dieser Schüler nach allen Regeln der Kunst: Falsch geschriebene Wörter, verunglückte Grammatik bei überwiegender Kleinschreibung jeglicher Wörter, selbst bei Satzanfängen. Dies alles bei weitgehendem Verzicht auf jedwede Zeichensetzung.
Er kam schließlich auf mich zu und beschwerte sich über die Abwertung. Man könne doch verstehen, was gemeint sei…
Als ich 2016 in einem Gymnasium zu unterrichten anfing und Achtklässler Aufsätze in einem Naturwissenschafts-Wahlpflichtkurs zum Thema Astronomie schreiben ließ, war ich bereits damals über deren miese Rechtschreibung so bestürzt, dass ich tatsächlich meine alten Schulsachen durchwühlte, um herauszufinden, ob ich in diesem Alter ebenso war.
Nun, ich war es nicht. Zumindest wurde in meiner ältesten Deutscharbeit, die ich finden konnte (9. Klasse), bloß ein einziger Fehler vom Lehrer moniert (geholfen hat mir das nur bedingt; ich bekam für den Aufsatz eine 2-).
Aber das waren Achtklässler, außerdem gab ich danach nur noch Unterricht in Mathematik oder Informatik, wo Rechtschreibung schon deshalb von untergeordneter Relevanz war, weil eben nur gelegentlich ganze deutsche Sätze ihren Weg aufs Papier fanden. Und so ist es umso bedauerlicher, dass sich inzwischen selbst in der Oberstufe etliche Schüler tummeln, für die korrektes oder auch nur annähernd korrektes Schriftdeutsch immer mehr eine Herausforderung bedeutet.
Die nordrhein-westfälische Prüfungsordnung der Oberstufe (APO-GOSt §13 Abs. 2) räumt jedem Lehrer die Möglichkeit ein, Klausuren um bis zu 2 Notenpunkte abzuwerten, um „Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit […] angemessen zu berücksichtigen“.
Dem eingangs erwähnten Schüler hatte ich in meiner Excel-Tabelle, die für mich die Bewertungen erstellt, noch einen etwas willkürlichen Malus von 4 Bewertungspunkten vergeben, um eine Abwertung um einen Notenpunkt zu erreichen – dies einfach deshalb, weil ich die Möglichkeit einer direkten Noten-Abwertung in der Tabelle schlicht nicht vorgesehen hatte.
Inzwischen habe ich da nachgebessert. Es ist nötig.